Auf dem etwa 10.000 Quadratmeter großen Gipfelplateau angekommen, boten sich uns wunderbare Ausblicke auf die den Felsen umgebende Landschaft. Da von den einst hier errichteten Palastgebäuden nur die Grundmauern erhalten sind, können über ihren einstigen Verwendungszweck nur Vermutungen angestellt werden. Hier oben wehte ein recht starker Wind, so dass wir darauf achten mussten, dass sich unsere Kopfbedeckungen nicht selbständig machten. Nachdem wir eine ganze Weile auf dem riesigen Plateau herumgewandert und uns die verschiedenen Ruinenteile und die aus dem Felsen geschlagenen Wasserbecken angeschaut sowie die in allen Richtungen phantastische Aussicht bewundert hatten, stiegen wir wieder hinab zum Löwenplateau und gleich weiter zur Spiegelgalerie. Hier warteten nun wahre Menschenscharen darauf, über die schmale Wendeltreppe zu den Wolkenmädchen hinaufsteigen zu können und wir beglückwünschten uns gegenseitig dazu, vor diesen Massen hier gewesen zu sein.
Für den weiteren Abstieg wählten wir nun eine andere, zum Südtor des Palastgeländes führende Treppenfolge, die uns an dem auffällig gespaltenen Zisterne-Felsen und einem mit einem breiten, steinernen Ruhebett ausgestatteten Audienzplatz vorbei zum Kobra-Felsen führte, der diesen Namen seiner verblüffenden Ähnlichkeit mit einer aufgerichteten Kobra verdankt. Nur etwa 50 Meter weiter südlich durften wir eine echte Kobra bewundern, die ein Schlangenbeschwörer hier zusammen mit einer ganz ansehnlichen Tigerpython zeigte. Dies kam einer unserer Mitreisenden gerade recht, denn sie hatte sich für diese Reise vorgenommen, sich einmal eine richtig große Schlange um den Hals legen zu lassen, was sie jetzt hier mit großem Vergnügend wahr machte.
Gegen 10:45 Uhr erreichten wir den Parkplatz, wo Goldi mit dem Wagen auf uns wartete. Dort befanden sich außerdem einige Souvenirstände und eine interessante singhalesische Imbissbude. Wir waren jetzt froh, endlich die Wanderstiefel ausziehen zu können, die uns allerdings während der Besteigung des Sigiriya-Felsens gute Dienste getan hatten. Vorbei an einem hoch in einen Baum gebauten Wach- oder Beobachtungsposten, der entweder zur nächtlichen Beobachtung von wilden Elefantenherden oder zum nächtlichen Schutz der Sigiriya-Wachposten vor ebendiesen wilden Elefanten diente (unsere Erinnerung daran, was Goldi zu diesem 'Hochsitz' gesagt hatte, stimmt nicht ganz überein), verließen wir das Gelände und hielten wenig später an einem Kunsthandwerkszentrum, wo wir beim Messingtreiben, Edelsteinschleifen und Kokosnussschnitzen zuschauten. Aus Naturfasern wurde Raumschmuck gefertigt und direkt daneben zeigte man uns zahlreiche, äußerst kunstvoll ausgeführte Batikarbeiten. In anderen Gebäuden schauten wir beim Weben und Holzschnitzen zu. Alle Produkte der hier arbeitenden Künstler und Handwerker konnte man in einem zentralen Verkaufsgebäude erwerben.
Auf der Weiterfahrt, die uns zunächst zurück nach Dambulla und dann auf der merklich besser ausgebauten A9 in Richtung des nun noch etwa 72 Kilometer entfernten Kandy führte, sahen wir öfters Arbeitselefanten, die hier zum normalen Straßenbild gehören. Neben Lastwagen mit hübsch bemalten hölzernen Aufbauten zockelten urtümliche Ochsenkarren und am Straßenrand hingen die bunten Erzeugnisse einer Tuchfärberei. Dann begegneten wir einer ebenso farbenfrohen wie fremdartigen Hinduprozession, die mit einem hohen, geschmückten Umzugswagen zu lauter Musik die Straße entlangzog.
Wenig später entdeckten wir an einem Verkaufsstand am Straßenrand einen kegelförmig aufgesetzten Turm von riesigen Jackfrüchten - flugs wurde angehalten und ein Stück dieser direkt am Baumstamm wachsenden, angeblich größten Frucht der Welt gekauft. Das gelbliche, leicht gummiartige Fruchtfleisch schmeckte zwar süß, war aber trotzdem nicht so ganz unser Fall. Meistens wird die Jackfrucht auch gekocht als Gemüse gegessen oder gebraten dem Curry beigegeben.
Einige Kilometer vor Matale besuchten wir einen der zahlreichen, sich entlang der Straße aneinanderreihenden Spice Garden. Während Goldi es sich auf einer Bank am Eingang gemütlich machte, führte uns ein Mitarbeiter des Spice Garden in dem von vielen hohen Bäumen beschatteten, fast waldartig wirkenden Gelände herum und zeigte uns die verschiedenen Gewürz- und Heilpflanzen. Von der als Liane an Bäumen und Büschen entlang rankenden Pfefferpflanze können gleichzeitig vier verschiedene Pfeffersorten geerntet werden: die in Trauben zusammenhängenden Pfefferbeeren sind anfangs grün, werden mit zunehmender Reife rot und trocknen in der Sonne zu schwarzem Pfeffer. Durch Schälen der roten Beeren erhält man weißen Pfeffer. Der Muskatbaum trägt fleischige Früchte, die bei Reife gelb werden und sich in zwei Hälften spalten. Dabei geben sie die braun-violetten, von einer roten Hülle umgebenen Muskatnüsse frei. Die Vanillepflanze mit ihren aromatischen Schoten rankt sich als Liane von Baum zu Baum. Reifende Kakaofrüchte werden oft von Tieren angefressen, daher versuchte man hier, sie mit transparenten Plastikhüllen zu schützen.
Gewürznelken sind die ungeöffneten Blütenknospen eines kleinen, immergrünen Baumes. Die Kardamompflanze mit ihren vielen blättrigen, bis 3 Meter hohen Stämmen gedeiht nur in Höhen ab 600 Metern. Ihre reifen Früchte sind hellgrün bis gelb und enthalten je ca. 15 Samen, die zu dem beliebten Gewürz gemahlen werden. Das berühmteste Gewürz Sri Lankas liefert jedoch die pro Jahr etwa einen halben Meter wachsende Zimtstaude - verwendet wird die abgeschälte, gerollte und getrocknete Innenrinde der jüngeren Seitenstämme. Aus den Zimtblättern wird außerdem Zimtöl gewonnen, das als Naturmedizin und zur Herstellung von Parfüm und Likör verwendet wird. Neben dem niedrigen Ingwerstrauch, dessen Knollen geschält und getrocknet als Aroma für Speisen und Getränke sowie ebenfalls als Heilmittel Einsatz finden, wuchs hier natürlich auch Kaffee der vor etwa 200 Jahren von den Briten in Sri Lanka eingeführten Sorte 'Arabica'.
Verschiedenen Arten von Aloe Vera leiteten über zu den zahlreichen Produkten der ayuverdischen Medizin, die uns in einer kleinen, offenen Hütte nicht nur gezeigt, sondern auch gleich an uns ausprobiert wurden. Nach diversen Cremes auf Armen und Händen folgten eine Gesichtsmassage und schließlich noch eine Rückenmassage, jeweils mit wohlriechenden, öligen Ayuverda-Produkten. Nachdem wir uns mit einem Trinkgeld für die Massagen bedankt hatten, tranken wir zum Abschluss des Besuches eine Tasse aromatischer Kakaomilch und betraten dann den Verkaufsraum des Gewürzgartens, wo wir Kokosnussöl und das mit den bei uns zu Hause erhältlichen Kakaoprodukten nicht zu vergleichende, köstliche Kakaopulver kauften.
Nach nur kurzer Fahrt erreichten wir dann den aus dem ersten Jahrhundert vor Christus stammenden buddhistischen Felsentempel von Aluvihara bei Matale. Durch das prächtige Tor in der originellen, mit zahlreichen schwarzen Elefantenfiguren besetzten weißen Mauer betraten wir den in einer von zerklüfteten Granitfelsen geprägten Landschaft gelegenen Tempelbezirk. Der Aluvihara ist eine der bedeutendsten Stätten des Buddhismus auf Sri Lanka, denn im Jahre 80 vor Christus trafen sich hier etwa 500 buddhistische Mönche aus aller Welt, um die bis dahin nur mündlich überlieferten Lehren Buddhas erstmals auf Palmblättern, den so genannten Olas, schriftlich festzuhalten. Damals entstand ein in Pali-Schrift, der heiligen Sprache des Buddhismus abgefasster, dreiteiliger Schriftenzyklus, die so genannten Drei Körbe. Gemeinsam mit den von den Mönchen niedergeschriebenen Kommentaren dient dieser noch heute als Vorlage für Rezitationen.
Über eine 50stufige Treppe erreichten wir das am Fuß des Felsmassivs gelegene Museumsgebäude, in dem uns ein Mönch zunächst einige Schritte der Herstellung von Palmblättern demonstrierte und uns dann noch eine kleine Schriftprobe anfertigte: erst wurden die Zeilen mit einem Metallstift in das Palmblatt eingeritzt, dann mit aus Kohle hergestellter schwarzer Tusche gefärbt und das Ganze anschließend abgewischt, um die überschüssige Tusche zu entfernen. Fertig war der englische Text 'Welcome to Sri Lanka' und darunter unsere vier Namen in Sinhala.
Jetzt schauten wir uns noch ein wenig im Museum um, das neben einem großen Schrank mit den Palmblattschriften der 'Drei Körbe' Vitrinen mit Buddhastatuen, Kultgegenständen und sogar Porzellan enthielt, die das Kloster im Laufe der Jahrhunderte als Geschenke erhalten hat. Neben historischen Fotografien (u. a. das letzte Königspaar Sri Lankas und die englische Königin Victoria) zeigten neuere Fotos Mönche bei den vielen verschiedenen Schritten der Palmblattherstellung, denn auch heute noch halten die Mönche ihre neu gewonnenen Erkenntnisse auf Olas fest.
Dann gaben wir unsere Schuhe ab und folgten den vielen Einheimischen in den aus zwei Felsenhöhlen bestehenden Tempel. Neben schönen Wand- und Deckenmalereien waren hier Buddhastatuen in den typischen Haltungen meditierend, lehrend und ruhend zu sehen. Auch hier war wieder eine große (diesmal 10 Meter lange) Statue eines liegenden Buddha zu bewundern. Den uns sehr beeindruckenden Unterschied zu Dambulla machten die farbenfroheren Darstellungen und vor allem die vielen betenden Menschen aus. Über eine steile Treppe und durch einen hübschen, an seiner Spitze eine Glocke tragenden Torbogen gelangten wir hinauf zum zweiten der Höhlentempel. Die naiven Wandmalereien im Vorraum dieses Tempels stellen die 'Höllenqualen' dar - Menschen werden von Teufeln gevierteilt, geköpft, gepfählt und auf alle möglichen anderen Arten gequält.
Nach dem Verlassen des buddhistischen Aluvihara-Tempels fuhren wir nur ein kurzes Stück bis zum mitten in Matale gelegenen Hindutempel Sri Muthumariamman Thevasthaman. Schon von weitem fiel uns das abenteuerlich konstruierte, aus Bambusstangen und Schilfmatten bestehende Baugerüst an einem seitlichen Turm des Tempels auf. Unsere Schuhe ließen wir mangels Abgabestelle diesmal direkt im Minibus. Schon von außen konnten wir die vielen farbenfrohen, oftmals vier oder mehr Arme aufweisenden Götterfiguren auf dem Sims und den Aufbauten des Tempels bewundern. Der zentrale, vielfach gestufte Turmaufbau ist ein Symbol für den Götterberg Mehru.
Aufgrund der Bauarbeiten an dem Seitenturm, die sich wohl auch auf Teile des Daches ausstreckten, war der Fußboden im Innenraum des Tempels an vielen Stellen mit Wasserpfützen und/oder weißlichem Kalkstaub bedeckt, so dass man ein wenig darauf achten musste, wohin man trat. Rings um das Hauptheiligtum in der Mitte waren zahlreiche kleinere, oftmals wie eigene, kleine Tempelhäuschen gestaltete Nebentempel, so genannte Schreine, angeordnet. In jedem dieser hohen, ebenfalls wieder mit einem 'Götterberg' voller exotischer, bunter Götterfiguren gekrönten Schreine waren Statuen einer oder mehrerer hinduistischer Gottheiten aufgestellt. Auch die das Dach des ziemlich großen Raumes tragenden Säulen und mehrere 'Innengiebel' waren mit vielen farbenprächtigen Figuren geschmückt.
Das Hauptheiligtum in der Mitte des Tempels war ein reich mit Figuren und Ornamenten geschmückter, vielfach verschachtelt wirkender, nur für Priester zugänglicher Raum, vor dem diverse Absperrgitter Gläubige und Besucher in gebührender Entfernung hielten. Ein Helfer nahm die meist aus kunstvollen Blumenarrangements oder Früchten bestehenden, oft auch mit Geldscheinen versehenen Opfergaben der Gläubigen in Empfang und brachte diese dann in das nur zu kleinen Teilen einsehbare Innere des Heiligtums, in dem ein Priester auf uns völlig fremdartig wirkende Feuerrituale durchführte. Eines dieser Rituale war eine Art Segnung eines Babys, vielleicht vergleichbar mit der bei uns üblichen Kindstaufe. Zur Schließung des Tempels erklang für unsere Ohren völlig ungewohnte, exotische Musik von Trommeln und Blasinstrumenten. An allen Nebentempeln wurden im Rahmen von kleinen Zeremonien die Vorhänge zugezogen und zusammen mit den letzten Gläubigen verließen auch wir den Hindutempel.
Sowohl im buddhistischen Aluvihara-Tempel als auch hier im Hindutempel waren wir die einzigen westlichen Besucher inmitten von vielen Gläubigen gewesen, was sicherlich nicht unwesentlich dazu beitrug, dass beide Tempel bei uns einen großen Eindruck hinterließen.
Nun mussten wir uns erst einmal durch den chaotischen Verkehr des Zentrums von Matale schlängeln, bevor wir unsere Fahrt ins von hier aus noch etwa 20 Kilometer entfernte Kandy fortsetzen konnten. Auf einmal setzte ein heftiger, etwa 8 Minuten andauernder Regenguss ein, nach dem gleich wieder die Sonne schien. Goldi sagte, das sei hier immer so. Maximal dauere ein Regenguss eine halbe bis eine Stunde und in der Monsunzeit passiere das mindestens drei bis vier mal am Tag. Aber jetzt sei ja keine Regenzeit. Doch kurz bevor wir Kandy erreichten, regnete es schon wieder für einige Minuten.
Das in einer Höhe von etwa 500 Metern über dem Meeresspiegel sehr schön inmitten einer waldbedeckten Hügellandschaft gelegene Kandy ist heute mit etwas mehr als 100.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Sri Lankas. Mit dem Zahntempel befindet sich hier das religiöse Zentrum des Buddhismus in Sri Lanka. Diese Gegend war bereits im 5. Jahrhundert besiedelt, aber erst Ende des 15. Jahrhunderts wurde die Stadt zum Sitz eines Königreiches. Im 16. bis 18. Jahrhundert folgten zahlreiche Auseinandersetzungen mit portugiesischen und holländischen Eroberern, aber nicht zuletzt wegen seiner Lage inmitten unwegsamer Berge und dichtem Dschungel blieb das Königreich selbst nach der Eroberung der gesamten übrigen Insel durch die Engländer ab 1795 und der 1802 erfolgten Erklärung zur Kronkolonie unabhängig. Erst der seitdem dritte Feldzug der Engländer endete 1815 mit der Gefangennahme und Deportation des Königs, der 1832 in Südindien starb. Nun war das ganze Land unter dem Namen Ceylon britische Kronkolonie und die Hauptstadt befand sich in Colombo. Kandy, das im Laufe der Geschichte mehrere singhalesische Namen wie Maha Nuwara (Große Stadt) oder Kanda Uda (Land in den Bergen) trug und erst von den Portugiesen Candia genannt wurde, woraus die Briten schließlich Kandy machten, blieb jedoch bis zur Unabhängigkeit Ceylons im Jahre 1948 Zentrum des Widerstands gegen die Kolonialregierung, weshalb auch 1972 die Ausrufung der demokratisch-sozialistischen Republik Sri Lanka und damit die Abschaffung des vorigen Namens Ceylon in Kandy und nicht im kolonial geprägten Colombo stattfand.
In Kandy angekommen, fuhr Goldi zunächst zu einem Hotel, das keinen besseren Eindruck machte, als das von gestern Abend (leider hat sich keiner von uns den Namen des Hotels gemerkt). Da wir gleich im Anschluss eine Show der berühmten Kandy-Dancer und danach noch den Zahntempel besuchen wollten, interessierten wir uns zunächst ausschließlich für eine Steckdose zum Aufladen einiger Akkus und einen unbeweglichen Platz, an dem wir eine ziemlich volle Speicherkarte auf unser X-Drive hoch laden konnten, um anschließend wieder genügend Strom und Speicherplatz für Fotos und vor allem auch für Videofilme der Tänze zu haben.
Nachdem also Lade- und Kopiervorgang in Gang gesetzt waren, schauten wir uns in dem uns zugewiesenen Dreibettzimmer um. Es war zwar einigermaßen sauber, hatte aber keine Klimaanlage und diesmal befand sich ein aus einzelnen, schräg stellbaren Scheiben bestehendes Fenster direkt im Zimmer. An und für sich noch keine Katastrophe, aber einige dieser Scheiben waren zerschlagen, so dass Insekten hier völlig ungehindert hinein fliegen konnten. Im Bad hingen zur Abwechslung überhaupt keine Hand- oder Badetücher, aber die 'Krönung' war die Tatsache, dass weder aus der Toilettenspülung noch aus Dusche oder Waschbecken Wasser kam. Auf unsere Beschwerde hin tat man ganz erstaunt, es wurde mehrfach telefoniert und schließlich teilte man uns mit, wir bekämen ein anderes Zimmer 'an einem anderen Platz'.
Wir mussten jetzt nur noch warten, bis das Upload der Daten fertig war, dann trugen zwei Hotelangestellte unsere Reisetaschen und wir unsere Rucksäcke und Kamerataschen wieder hinunter zum Minibus. Auf diesen Wegen zum und vom Hotelzimmer hatten wir jedes Mal den Eindruck, die einzigen Gäste dieses Hotels zu sein - alles schien menschenleer, wie ausgestorben und wirkte auch ganz so, als sei dies ein bereits länger andauernder Zustand. Dazu würde natürlich auch passen, dass die Angestellten anscheinend noch nicht einmal wussten, das das Hotel von der Wasserversorgung abgeschnitten war - oder sollte gar die benachbarte Baustelle etwas damit zu tun haben?
Während Goldi uns auf einer kleinen, teilweise in recht schlechtem Zustand befindlichen Straße immer weiter einen Berg hinauf chauffierte, befürchteten wir schon das Schlimmste - schließlich war gar nicht von einem Hotel, sondern nur von einem 'Platz' die Rede gewesen. Doch dann hielten wir am 'Kandy View Hotel', das sich als ganz normales, sehr sauberes Hotel erwies. Wir bekamen ein Doppelzimmer, in das flugs ein Klappbett hinzu gestellt wurde. Das Bad war groß, gut ausgestattet und es gab auch genügend Hand- und Badetücher. Wir hätten gerne geduscht, aber dazu war keine Zeit, denn Goldi wartete schon draußen, um uns zur Show der Kandy-Tänzer zu bringen.
Wir fuhren also wieder den Berg hinunter, am Kandy Lake entlang, durch einen Teil der Stadt und auf der anderen Seite erneut bergauf bis zu einem Cultural Club, in dem die Veranstaltung des Kandy Lake Dance Ensemble bereits begonnen hatte. Der Zuschauerraum war gut gefüllt und wir fanden nur noch in einer der hinteren Reihen Platz, doch nach einigen Minuten winkte uns ein Platzanweiser (vielleicht weil er unsere im Vergleich zu den kleinen silbernen Mini-Kameras der meisten Touristen verhältnismäßig großen Kameras bemerkt hatte?) ganz nach vorne in die eigentlich für die Presse reservierte erste Reihe.
Anhand der am Eingang erhaltenen Programmliste stellten wir fest, dass wir zum Ende des aus einer Folge ritueller Volkstänze aus dem Süden Sri Lankas bestehenden dritten Programmpunkts 'Devol Maduwa' eingetroffen waren. Diese aus den Zeremonien verschiedener Volksreligionen abgeleiteten Tänze dienen dem allgemeinen Schutz vor bösen Einflüssen und zur Heilung verschiedener Krankheiten, die durch teuflische Einflüsse, Verwünschungen oder böse Blicke verursacht wurden. Die beiden ersten, verpassten Programmpunkte 'Magul Bera' und 'Puja Natuma' (Natuma bedeutet Tanz) waren die nach alter Tradition vor der Zeremonie durchgeführten Anrufungen der schützenden Götter des Landes und Sarasvathis, der göttlichen Mutter des Tanzes gewesen.
Nun folgte 'Mayura Vannama', der Tanz des Pfaus. Dieser zu den Hochland- oder Kandytänzen gehörende, von grazilen Tänzerinnen vorgeführte Tanz stellt die Bewegungen eines Vogels dar, in diesem Fall die eines Pfaus. Nach alter Überlieferung symbolisiert der Pfau den gleichermaßen von Buddhisten und Hindus angebeteten Kriegsgott Skanda (Kataragama). Der nächste Tanz war 'Pantheru Natuma', hergeleitet von dem hierbei verwendeten, tamburinähnlichen Instrument 'Pantheru'. Wie bei den meisten Tänzen wird auch hier der Rhythmus von verschiedenen Trommeln unterstützt. Der Tanz selbst zeigt die singhalesischen Krieger auf dem Weg ins Gefecht.
Dann folgte ein Tieflandtanz: 'Raksha Natuma', der Tanz des Teufels. Dieser südceylonesische Maskentanz mit einer Teufelsmaske (Raksha-Maske) schildert den Kampf zwischen einer Kobra und einem Vogel. Durch dieses Ritual sollen Besessenen die Dämonen ausgetrieben werden. Im Hinweisblatt stand, dass dieser Tanz in Sri Lanka auch heute noch als psychiatrische Behandlungsmethode angewendet wird. Der nächste Tanz 'Lee Keli Natuma' ist in allen Regionen des Landes verbreitet. Jeder der Tänzer hat zwei Stöcke, die aneinander geschlagen werden. Der Ton des Schlages liefert den Rhythmus für die Bewegungen der Tänzer. Tänze mit Stöcken sind auch bei den Moslems des Ostens und den Tamilen im Norden Sri Lankas zu finden.
Beim Programmpunkt 'Raban' standen zunächst die sich sonst im Hintergrund haltenden Trommler im Mittelpunkt. Die Raban ist eine Trommel mit etwa 30 cm Durchmesser, die mit einer Hand festgehalten und mit der anderen, meist als Begleitung zu einem vielstimmigen Gesang, gespielt wird. Diese Tradition wird heute noch in den Dörfern im Süden Sri Lankas bewahrt. Später kamen zu den Trommlern einige Jongleure hinzu, die ihre Geschicklichkeit mit auf langen Stöcken balancierten flachen Schalen zeigten. Nun folgte 'Gini Sisila', ein aus dem Süden stammender Feuertanz, der zeigte, wie Willenskraft und fester Glaube die Darsteller vor Verbrennungen schützten: sie strichen mit Fackeln über ihre Körper und schluckten das Feuer. Dieser Tanz symbolisiert die Kraft des Zaubers sowohl über das Feuer als auch über 27 bösartige Teufel.
Der traditionelle Name des Kandy-Tanzes 'Ves' lautet 'Kohomba Kankariya' und mit all seinen Formen dauert er einen ganzen Tag und eine ganze Nacht. Er dient dem Schutz vor bösen Geistern und zum Bewahren von Gesundheit und Wohlstand. Wegen seiner Länge und Schwierigkeit erfordert dieser klassischste aller Hochlandtänze ein jahrelanges hartes Training. Auch bei den rasantesten Drehungen muss auf die charakteristische Beuge von Knie und Ellenbogen geachtet werden. Die Wirbelsäule soll stets kerzengerade und die ebenfalls geraden Schultern in ruhender Schwebe verharren. 'Ves' ist ein Teil dieses Tanzes, benannt nach der aus 64 verschiedenen Ornamenten bestehenden Tracht des Kandy-Tänzers. Neben der weißen, mit unzähligen Silberplättchen und Muschelstücken verzierten Kleidung zeichnet sie sich vor allem durch den prächtigen Kopf- und Ohrschmuck aus.
'Kulu Natuma', der Erntetanz, ist ein traditioneller Volkstanz, der von jungen Mädchen vorgeführt wird, um eine reiche Ernte zu feiern. Der Tanz zeigt die Abfolge der Reisernte vom Mähen bis zum Einfahren des Getreides. Kulu Natuma ist geprägt von schwebenden Tanzbewegungen, die alle Möglichkeiten bieten, weibliche Grazie zur Schau zu stellen. Der Tanz lebt von Improvisationen, untermalt von leichtem Trommelschlag und Flötenklängen. Unser Hinweisblatt informierte uns, dass diese Tanzform bei modernen Choreografen sehr populär sei und Ähnlichkeiten mit Erntetänzen aus anderen Regionen Asiens aufweise.
Jeder Schritt und jede Bewegung der Tänzer wird von verschiedenen Trommeln begleitet. Das Trommelorchester umfasst fünf traditionelle Instrumente, die gewöhnlich dreimal am Tag zur Ehre Buddhas gespielt werden. Beim jetzt folgenden Programmpunkt 'Drum Orchestra' ergaben sie, gleichzeitig gespielt oder sich antwortend, einen kriegerischen Effekt. Zum Abschluss der Tanzveranstaltung stellten sich sämtliche Teilnehmer noch einmal vor.
Irgendwann während der zweiten Hälfte der Veranstaltung hatte es draußen begonnen, wie aus Kübeln zu schütten (der obere Teil der langen Seitenwände der Halle war offen, so dass wir das vom Dach herunterströmende Wasser sehen konnten). Normalerweise hätte der nun folgende Feuerlauf in einer sich an die rechte Seite der Halle anschließenden kleinen Freiluft-Arena stattfinden sollen, aber wegen des Regens wurde er kurzerhand auf die noch überdachte linke Seite verlegt, an der sich ebenfalls eine rechteckige Vertiefung befand, in der nun bereits die glühenden Kohlen lagen.
Leider war hier nicht so viel Platz für die sich schnell um den Schauplatz scharenden Zuschauer wie auf den aufsteigenden Rängen der Freiluft-Arena. Einen richtig guten Blick auf das Geschehen hatten nur diejenigen in den ersten drei Reihen, alle übrigen (zu denen auch wir gehörten) versuchten so gut wie möglich über die Köpfe hinweg oder zwischen den Schultern hindurch einen Blick auf die Feuerläufer zu erhaschen.
Der Ursprung des Feuerlaufs geht auf die Sage von Rama und Sita zurück. Der Dämonenkönig Ravana hatte Sita, eine indische Prinzessin, entführt. Nachdem Rama sie befreit und zurückgeholt hatte, bewies sie ihre bewahrte Keuschheit, indem sie unverletzt barfuss über glühende Kohlen lief. Bevor die Feuerläufer über die Glut gehen, erbitten sie sich den göttlichen Segen des Gottes Kataragama und der Göttin Pattini.
Inmitten der sich am Eingang des Cultural Club vor dem nach wie vor wie eine Wand herabströmenden Regen aufstauenden Menschenmenge warteten wir anschließend einige Minuten auf Goldi und unseren Minibus, den wir schließlich drüben am gegenüberliegenden Straßenrand entdeckten. Ein kurzer Sprint durch den Regen und wir saßen klitschnass im trockenen Fahrzeug. Während des Wartens hatten wir uns überlegt, dass wir den Zahntempel lieber doch erst morgen früh besichtigen wollten, denn zum einen hatten wir heute bereits mehr als genug neue Eindrücke gesammelt und befürchteten zum anderen auch, dass die nicht nennenswert aufgeladenen Akkus vorzeitig schlapp machen könnten.
Als wir dies Goldi mitteilten, sagte er, dass die Zeremonie, bei der das Gefäß mit dem Zahn Buddhas gezeigt wird, nur abends stattfände und wir es also morgen früh nicht zu sehen bekämen. Deshalb entschieden wir uns wieder um und beschlossen, doch heute noch dorthin zu fahren. Leider war eine Straße in direkter Nähe des Tempels gesperrt, weshalb wir in einem um den Kandy-Lake herumführenden Bogen nochmals zurückfahren mussten, um dann von der anderen Seite zum Zahntempel zu kommen. Am gegenüberliegenden Ende besagter Straße vorbeikommend, sahen wir, dass sie nun wieder befahren werden durfte. Mittlerweile hatte der Regen merklich nachgelassen und es tröpfelte nur noch ein wenig. Die Zeiger der Uhr näherten sich 19:15 Uhr und es wurde jetzt gerade dunkel. In den asiatisch dicht bebauten Geschäftsstraßen reihte sich Laden an Laden und auf dem Bürgersteig drängte sich ein Gewusel von sehr vielen, ausschließlich einheimischen Passanten um die unterschiedlichsten Verkaufsstände.
Weil wir durch den Umweg ziemlich spät am Zahntempel ankamen, ließ uns Goldi am Eingang aussteigen und engagierte kurzerhand einen an der Straße wartenden Tourist-Guide, damit er uns in den Tempel begleite. Er selbst wollte einen Parkplatz für den Minibus suchen und dann nachkommen. Den Eintritt sollten wir vorlegen und bekämen das Geld später von ihm zurück. Wir passierten eine Sicherheitsschleuse, in der alle Besucher 'in Augenschein' genommen wurden und durchquerten dann eine lang gezogene Parkanlage, um uns anschließend in die Schlange vor der Schuhabgabe einzureihen. Noch bevor wir den Tresen erreichten, war Goldi schon wieder da und organisierte die Abgabe unserer Schuhe, die paarweise zusammengesteckt nebeneinander im großen Schuhregal verstaut wurden. Goldi erhielt dann praktischerweise für alle Schuhe zusammen eine einzige Marke mit einer Kennnummer.
Jetzt passierten wir die zweite Sicherheitskontrolle - diesmal nach Männlein und Weiblein getrennt und mit Metalldetektor, denn nach dem Selbstmord-Attentat eines Tamil Tiger vom Januar 1998, bei dem 8 Menschen ums Leben kamen und die Tempelanlage durch die Explosion von 250 Kilogramm Sprengstoff schwer beschädigt wurde, werden alle Besucher des Tempels streng kontrolliert. Nun betraten wir den Zahntempel, in dem wir gleich über eine seitliche Treppe in den ersten Stock hinaufstiegen. Hier reihten wir uns in die 'Foreigner'- Schlange zur Besichtigung des Zahnbehältnisses ein. Gläubige durften an dieser mit einem Seil abgesperrten Schlange vorbeigehen. Mit der Zeit wurde die Schlange hinter uns immer länger, aber vor uns tat sich rein gar nichts. Durch die nur angelehnten Schlagläden der schmalen, offenen Fenster konnten wir in einen darunter liegenden, malerischen Innenhof schauen. Eine der dort sichtbaren Wände gehörte zum Heiligen Schrein und darüber schauten wir auf die mit prächtigen goldenen Rosetten verzierte Innenseite des diesen Schrein überspannenden, auch an der Außenseite goldenen Daches.
Während wir hier barfuss auf den glatt polierten Holzdielen standen und warteten, gingen uns die rhythmischen Trommelschläge der beiden im Erdgeschoss vor dem Eingang zum heiligen Schrein stehenden Trommler, die wir beim Hereinkommen kurz gesehen hatten, durch und durch und verursachten eine besondere Art von Erregung. Mit einer Schuhsohle zwischen uns und dem vibrierenden Boden wäre es bestimmt nicht das gleiche Erlebnis gewesen. Wir begannen hier zum ersten Mal zu verstehen, warum die Gläubigen mancher Religionen heilige Räume nur barfuss betreten und versuchten uns vorzustellen, ob es auch bei uns ein Unterschied wäre, barfuss in die Kirche zu gehen.
Schließlich setzte sich die Schlange vor uns langsam in Bewegung und nach einiger Zeit kam ein quadratischer, durch reich geschnitzte Holzgeländer abgetrennter Raum in unser Blickfeld, in dem etwa 20 weiß gekleidete, betende Gläubige saßen, die alle ein kleines Paket bei sich hatten. Goldi und der Guide erklärten uns, diese Menschen seien ausgewählt, später noch an einer besonderen Zeremonie teilzunehmen. Hinter diesem Raum befand sich ein großer Opfertisch, auf dem die vorhin an uns vorbeigegangenen Gläubigen Blütenopfer abgelegt hatten und nun im Bereich dahinter standen oder saßen und beteten. Der abgetrennte 'Foreigner'-Weg führte um den Raum der ausgewählten Gläubigen herum, bis auch wir das sehen konnten, was sie schon die ganze Zeit sahen: eine prächtige, mit kostbaren Perlmutt- und Elfenbeinintarsien verzierte, silberbeschlagene Tür in dem 400 Jahre alten Schrein. Dahinter lag ein prächtig geschmückter Raum, in dem direkt gegenüber eine weitere Tür den Blick auf das etwa einen Meter hohe, dagobaförmige, reich verzierte goldene Zahnbehältnis freigab.
Jeder in der Schlange durfte nur kurz schauen und wurde dann schon weiter gewunken. Fotografieren war hier verboten, das durfte man erst, wenn man den auch weiterhin durch das Seil abgespannten Weg bis zum Ende gegangen war und dann zu dem Betplatz hinter dem Opfertisch treten konnte. Dort drängelten sich auch wenig später schon die kamerabewaffneten Touristen, aber trotz des Gedränges gelangen auch uns einige schöne Fotos der Zahnreliquie und des gesamten Raumes.
Was wir hier zu sehen bekamen, war der äußere von insgesamt 6 goldenen, reich mit Edelsteinen verzierten und in der Form einer Dagoba gestalteten Reliquienbehältern. Unter der letzten goldenen Hülle befindet sich noch eine weitere, siebte Hülle aus Elfenbein, die die auf einer goldenen Lotosblüte ruhende, meistverehrte Reliquie Sri Lankas, Gautama Buddhas rechten oberen Eckzahn, enthält. Alle sieben Behältnisse sind verschlossen und ihre Schlüssel werden von den Oberpriestern zweier verschiedender Klöster verwahrt, die auch im Wechsel die religiösen Zeremonien im Zahntempel abhalten.
Nachdem das Ende der 'Foreigner'-Schlange, in der aber auch hier und da zwischen den Touristen und vor allem auch am Schluss noch eine ganze Reihe von Gläubigen die Gelegenheit zu einem 'nahen' Blick auf die Zahnreliquie nutzten, die silberbeschlagene Tür passiert hatte, wurde ein Vorhang vor dem Reliquienbehälter zugezogen und wenig später schlossen sich auch die beiden kostbaren Silbertüren. Nun betraten die weiß gekleideten Gläubigen aus dem besonders abgetrennten Bereich mit ihren Paketen durch zwei hölzerne Seitentüren den Raum vor der Reliquie, wo wohl jetzt die besagte besondere Zeremonie stattfand.